Sonntag, 8. Januar 2006

Spiegelung

Jeden Morgen begegnet uns das Wunder der Existenz, das wir gar nicht mehr wahrzunehmen scheinen. Jeden Augenblick ereignet es sich, aber nur wenige schauen dem Wunder je ins Auge.
Der Ausdruck „ins Auge schauen“ ist eigentlich sehr schön. Dem Augenblick ins Auge zu schauen, so wie er ist, ihn so zu sehen, wie er ist, ohne etwas hinzuzufügen , ohne etwas wegzunehmen. Ohne jegliche Korrektur: ihn einfach so nehmen, wie er ist. Wie ein Spiegel.
Ein Spiegel kann nicht korrigieren, zum Glück. Sonst würde wahrscheinlich kein einziges Lebewesen dieser Welt seinen Ansprüchen genügen, einfach weil er sie zerstören würde, wenn er anfangen würde sie zurechtzustutzen, sie zu korrigieren, ihnen etwas hinzuzufügen.
Aber kein Spiegel ist zerstörerisch. Wie schön ist selbst der hässlichste Spiegel, weil er nichts zerstört. Er spiegelt nur.
Doch genau das ist es ja, was oft so schwer zu ertragen ist. Dieses „ledigliche Widerspiegeln“. Es führt uns auf unmissverständliche Art und Weise vor Augen, was wir wirklich sind, wie wir wirklich sind. Einfach so, ohne Ausschmückung.
Wie oft spiegeln wir uns, gewohnheitsmässig, ohne uns darüber bewusst zu werden, dass dies die einzige Möglichkeit ist, den Moment, unseren Moment, unser momentanes Dasein zu sehen, genau wie es ist, belanglos und doch unendlich wichtig für uns.
Vor kurzem sah ich ein Plakat, auf dem stand:

Die Wildgänse
haben nicht die Absicht,
sich im Wasser zu spiegeln.
Das Wasser
hat nicht die Absicht,
ihr Bild widerzuspiegeln.

Im ersten Moment erschien mir dies völlig belanglos. Trotzdem liess es mir keine Ruhe und ich fragte mich, was damit gemeint sein könnte. Inzwischen glaube ich, dass dieses Beispiel genau dafür eine Erklärung liefert: Die Wildgänse, die nicht die Absicht haben, sich zu spiegeln; und das Wasser, das auch gar nicht die Absicht hat, ihr Bild widerzuspiegeln- und doch ist eine Spiegelung da. Niemand hat es gewollt, und doch ist es da.
hendrik.weber - 10. Jan, 10:28

Und Kinder,

Kinder spiegeln uns auch immerzu zurück, was und wie wir gerade sind oder besser nicht wären...
So gesehen spiegelt dein Text den Gegenstand der Veranstaltung "Pädagogik & Philosophie" - einfach so. Schön!

AlinaMH - 11. Jan, 20:28

Spiegel haben noch eine andere ganz gemeine eigenschaft. Sie drehen alles um. Jeder sieht sein Spiegelbild wahrscheinlich mehrmals täglich, und man hat sich an das Gegenüber gewöhnt. Sehen wir ein Foto von uns, so bekommen wir meist einen Schreck den das gewohnte sieht auf einmal fremd aus. Den Fotos drehen nichts um, hält man das Bild in den Spiegel wirkt es gleich vertrauter.

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