Dienstag, 29. November 2005

Winzige Träumerei

"Kannst du dir vorstellen", sagt er, "dass wir alle nur geträumt werden?"
"Wie meinst du das?" frage ich.
"Naja", beginnt er, "es könnte ja sein, dass wir alle nur im Traum von jemandem existieren. Oder im Traum von etwas. Es muss ja nichtmal ein Mensch sein. Vielleicht ein sehr kleines Wesen. Winzig klein. So klein, dass es in einem Erdloch wohnt. Dort liegt es jetzt gerade und schläft. Dabei schnarcht es, sehr sehr leise. So leise, dass wir es wahrscheinlich überhören würden. Aber in seinem Kopf entsteht der Traum, unser Leben, unsere Welt, unsere Gedanken. Jetzt gerade träumt es von uns, von mir, wie ich dir diese Geschichte erzähle; und von dir, wie du so dasitzt und mich verwirrt anguckst."
"Wie meinst du das?" frage ich.
"Es träumt von uns." sagt er. "Deshalb sind wir hier. Deshalb kennen wir uns. Vielleicht gibt es uns eigentlich gar nicht zusammen. Nur in seinem Kopf, da sind wir zusammen. Sobald das Wesen wach wird, sind wir verschwunden. Alles, überhaupt alles ist weg. Es muss nur eine kleine Erschütterung über dem Erdloch entstehen, die dem winzig kleinen Wesen etwas Sand in die Nase rieseln lässt, es zum Niesen bringt und -HATSCHI- alle Traumbilder geraten durcheinander; lauter kleine Stücke purzeln durch seinen Kopf. Zuletzt sind dort nur noch Farben. Etwas Rot, viel Grün, auch Gelb und ein wenig Blau, und natürlich all die Farbtöne dazwischen. Nicht mehr ich und nicht mehr du. Wir sind verschmolzen zu Farben, die durch seinen Kopf wabern, denn es befindet sich in diesem Zustand zwischen Träumen und Aufwachen. Wird das winzige Wesen ganz wach, verschwindet alles."
"Das wäre aber sehr unangenehm", sage ich. "Es gibt doch noch so viel zu erledigen. Ich wollte auf jeden Fall noch Wale sehen und Schlittschuhlaufen lernen. Und eigentlich auch noch mit einem klapprigen Fahrrad durch Marokko fahren...Es wäre schrecklich, wenn das winzig kleine Wesen jetzt wach wird. Und alles nur wegen einer kleinen Erschütterung. "
"Naja", sagt er, "du würdest es ja schließlich nicht merken. Du würdest vielleicht ein Rot sein, oder ein Grün mit einer winzig kleinen Ecke Gelb. Und danach spürst du nichts mehr. Nicht mal ein Gedanke bleibt übrig. Vielleicht auch doch, das kommt auf das Wesen an."
"Aber das wäre doch schrecklich." sage ich.
"Mach dir keine Sorgen", sagt er,"in Träumen gibt es vielleicht keine Zeit. Eine Sekunde kann da wie hundert Jahre sein."
"So", sage ich, "aber..."
"Kein aber." sagt er und geht.
Imke-Hinrichsen - 29. Nov, 10:19

das gefällt mir!

Annapopanna - 4. Dez, 21:53

Dankeschön!
nomsen - 29. Nov, 12:14

du hast wirklich eine blühende fantasie....
vielleicht ists ja wirklich so wie du es beschrieben hast!! wär irgendwie gut...

Annapopanna - 4. Dez, 21:55

Meinst du wirklich, dass das gut wäre? Ich bin mir da gar nicht so sicher..
nomsen - 7. Dez, 21:19

warum denn nicht?
weil alles plötzlich enden könnte? wenn das passierte, das wär wirklich schlimm... aber trotzdem ist der gedanke, den du ersonnen hast doch irgendwie schön... find ich zumindest... außerdem hast du ihn so gut formuliert, dass er einfach jedem gefallen würde!!!

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