Die Stadt-in-der-Stadt
Ich sitze am Strassenrand und beobachte das bunte Treiben um mich herum. Es ist seltsam, wie unterschiedlich Städte wirken können. Es gibt Städte und daneben Städte-in-Städten.
Für die Frau dort hinten zum Beispiel ist ihre Stadt geprägt von Strassen mit Boutiquen, Parfümerien und Schuhgeschäften. Sie ist gepflastert mit Hinweisen auf Rabattaktionen, Leuchtreklamen der neuesten Trends und Promotern, die schmackhafte Light-Zigaretten anpreisen während sie auf die abgefahrenste Party der heutigen Nacht aufmerksam machen. Die Frau kennt die Konditorei an der Ecke genauso wie den Feinkost-Supermarkt, besucht Szene-Cafes, Bars und Partys. Das ist ihre Stadt. Sie geht mal hier hinein, mal dort, lässt sich in den Menschenmassen treiben, zeitlos, ohne jegliche Eile, die Hände in den Taschen, darin fest umschlossen das lederne Portemonnaie, ihre Sicherheit, ihr Grund in der Stadt zu sein, ihre Aufenthaltsberechtigung.
Vor mir hält mit quietschenden Reifen ein Bus, schiebt sich zwischen mich und die Frau, die in den Massen verschwindet, fast untergeht. Meine Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Busfahrer, der das bunte Treiben auf der Strasse kaum wahrzunehmen scheint. Alles, was er sieht ist die Menschentraube an der Haltestelle, ungeduldig, jederzeit bereit für eine Beschwerde, sei es wegen einer Verspätung oder eines zu abrupten Bremsmanövers. Haltestellen und Buslinien, das ist seine Stadt; Steigungen, Zebrastreifen und Kurven, ihre Magie liegt in der Schwierigkeit sie kommen zu sehen, im richtigen Moment zu bremsen, sie zu umfahren, unter jeder Bedingung, bei Hitze genauso wie bei Glatteis. Endhaltestellen, so vertraut und so voll Bedeutung, weil dort die Zeit bis zur Rücktour mit einer Zigarette mit den Kollegen überbrückt werden kann, der Bus endlich leer ist, der Feierabend winkt. Dort kennt er sogar die Tauben in den wenigen Bäumen, die den vorbeieilenden Passanten genausowenig auffallen wie die schwungvolle Verbreiterung der Strasse, belanglos und doch so wichtig.
Der Bus setzt sich wieder in Bewegung, der Fahrer verschwindet aus meinem Blickfeld, scheint meine Gedanken wegzuwischen, sie schweifen ab und verlieren ihn, obwohl ich versuchen wollte ihn zu speichern, ihn nicht in der Belanglosigkeit verschwinden zu lassen. Es gelingt mir nicht. Leider.
Ich sehe einen braun-gefleckten Mischlingshund, der aufgeregt zwischen den Menschen umherläuft, schnüffelt, sein Bein hebt. Die Stadt dieses Hundes ist aus Gerüchen gebaut. Die verschiedensten Urin-Aromen ziehen die Grenze eines bestimmten Reviers, jeder Geruch verbunden mit einer bestimmten Information. Die Luft ist voll von diesen Aromen, Signale, die der Hund so selbstverständlich hinnimmt wie wir ein Strassen-oder Hinweisschild, ohne langes Grübeln, einfach sehen, registrieren und weitermachen.
Schwanzwedelnd läuft der Hund jetzt zu seinem Herrchen, der mit dem Rücken an die Schaufensterscheibe des Juweliers gelehnt dasitzt, vor sich ein Plastikbecher mit einigen Münzen, neben sich eine Tüte mit den wenigen Habseligkeiten. Eine Frau bleibt vor den beiden stehen, ich glaube in ihr die Frau von vorhin zu erkennen, bin mir nicht sicher, zu belanglos schien unser Zusammentreffen gewesen zu sein, obwohl ich doch genau das nicht wollte. Die Frau sagt etwas, ein wenig verschämt, dreht sich weg und kramt eine Münze aus ihrem Portemonnaie, lässt sie in den Becher fallen und eilt dann davon. Zurück in ihrer Stadt, die sie für einen Moment verlassen hatte.
Freudig schüttelt der Mann den Pappbecher, sagt etwas zu seinem Hund und steht dann auf, blickt sich unschlüssig um, scheint zu überlegen und steuert dann auf eine Einfahrt zu, verschwindet darin und kommt nach kurzer Zeit zurück. Der Hund sitzt da, aufmerksam und irgendwie angespannt, die Tüte seines Herrchens neben sich. Beide gehen in die andere Richtung davon, scheinen die Menschen nicht zu bemerken, die ihnen kopfschüttelnd und empört auszuweichen versuchen. Dieser Mann hat keinen Blick übrig für die Geschäfte, die leuchtenden Schilder, Reklamen, die neueste Mode. Er nimmt sie nicht mal wahr, sie haben für ihn keinerlei Funktion. Wird nicht angesprochen von Promotern, bekommt keine Flyer, keine Probierhäppchen. Das ist nicht seine Stadt. Seine Stadt besteht aus den Unterschlupfen der Kumpels, die man um Geld anhauen und einen Schlafplatz mit ihnen teilen kann. Seine Stadt ist sein Hund, der treueste Gefährte, der so stillschweigend sein Schicksal teilt. Einfahrten, in denen man zum Pinkeln verschwinden kann, die Konditorei und der Feinkost-Supermarkt, die nach Ladenschluss manchmal Übriggebliebenes verschenken. Das Bushäuschen, das nachts wenigstens etwas Schutz bietet.
Ein kurzes Augenzwinkern, und Mann und Hund sind meinem Blickfeld entwichen, genauso in der Masse untergegangen wie all die anderen. Die Stadt hat sie verschluckt, sie sind weg, und mit ihnen ihre Stadt-in-der-Stadt.
Für die Frau dort hinten zum Beispiel ist ihre Stadt geprägt von Strassen mit Boutiquen, Parfümerien und Schuhgeschäften. Sie ist gepflastert mit Hinweisen auf Rabattaktionen, Leuchtreklamen der neuesten Trends und Promotern, die schmackhafte Light-Zigaretten anpreisen während sie auf die abgefahrenste Party der heutigen Nacht aufmerksam machen. Die Frau kennt die Konditorei an der Ecke genauso wie den Feinkost-Supermarkt, besucht Szene-Cafes, Bars und Partys. Das ist ihre Stadt. Sie geht mal hier hinein, mal dort, lässt sich in den Menschenmassen treiben, zeitlos, ohne jegliche Eile, die Hände in den Taschen, darin fest umschlossen das lederne Portemonnaie, ihre Sicherheit, ihr Grund in der Stadt zu sein, ihre Aufenthaltsberechtigung.
Vor mir hält mit quietschenden Reifen ein Bus, schiebt sich zwischen mich und die Frau, die in den Massen verschwindet, fast untergeht. Meine Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Busfahrer, der das bunte Treiben auf der Strasse kaum wahrzunehmen scheint. Alles, was er sieht ist die Menschentraube an der Haltestelle, ungeduldig, jederzeit bereit für eine Beschwerde, sei es wegen einer Verspätung oder eines zu abrupten Bremsmanövers. Haltestellen und Buslinien, das ist seine Stadt; Steigungen, Zebrastreifen und Kurven, ihre Magie liegt in der Schwierigkeit sie kommen zu sehen, im richtigen Moment zu bremsen, sie zu umfahren, unter jeder Bedingung, bei Hitze genauso wie bei Glatteis. Endhaltestellen, so vertraut und so voll Bedeutung, weil dort die Zeit bis zur Rücktour mit einer Zigarette mit den Kollegen überbrückt werden kann, der Bus endlich leer ist, der Feierabend winkt. Dort kennt er sogar die Tauben in den wenigen Bäumen, die den vorbeieilenden Passanten genausowenig auffallen wie die schwungvolle Verbreiterung der Strasse, belanglos und doch so wichtig.
Der Bus setzt sich wieder in Bewegung, der Fahrer verschwindet aus meinem Blickfeld, scheint meine Gedanken wegzuwischen, sie schweifen ab und verlieren ihn, obwohl ich versuchen wollte ihn zu speichern, ihn nicht in der Belanglosigkeit verschwinden zu lassen. Es gelingt mir nicht. Leider.
Ich sehe einen braun-gefleckten Mischlingshund, der aufgeregt zwischen den Menschen umherläuft, schnüffelt, sein Bein hebt. Die Stadt dieses Hundes ist aus Gerüchen gebaut. Die verschiedensten Urin-Aromen ziehen die Grenze eines bestimmten Reviers, jeder Geruch verbunden mit einer bestimmten Information. Die Luft ist voll von diesen Aromen, Signale, die der Hund so selbstverständlich hinnimmt wie wir ein Strassen-oder Hinweisschild, ohne langes Grübeln, einfach sehen, registrieren und weitermachen.
Schwanzwedelnd läuft der Hund jetzt zu seinem Herrchen, der mit dem Rücken an die Schaufensterscheibe des Juweliers gelehnt dasitzt, vor sich ein Plastikbecher mit einigen Münzen, neben sich eine Tüte mit den wenigen Habseligkeiten. Eine Frau bleibt vor den beiden stehen, ich glaube in ihr die Frau von vorhin zu erkennen, bin mir nicht sicher, zu belanglos schien unser Zusammentreffen gewesen zu sein, obwohl ich doch genau das nicht wollte. Die Frau sagt etwas, ein wenig verschämt, dreht sich weg und kramt eine Münze aus ihrem Portemonnaie, lässt sie in den Becher fallen und eilt dann davon. Zurück in ihrer Stadt, die sie für einen Moment verlassen hatte.
Freudig schüttelt der Mann den Pappbecher, sagt etwas zu seinem Hund und steht dann auf, blickt sich unschlüssig um, scheint zu überlegen und steuert dann auf eine Einfahrt zu, verschwindet darin und kommt nach kurzer Zeit zurück. Der Hund sitzt da, aufmerksam und irgendwie angespannt, die Tüte seines Herrchens neben sich. Beide gehen in die andere Richtung davon, scheinen die Menschen nicht zu bemerken, die ihnen kopfschüttelnd und empört auszuweichen versuchen. Dieser Mann hat keinen Blick übrig für die Geschäfte, die leuchtenden Schilder, Reklamen, die neueste Mode. Er nimmt sie nicht mal wahr, sie haben für ihn keinerlei Funktion. Wird nicht angesprochen von Promotern, bekommt keine Flyer, keine Probierhäppchen. Das ist nicht seine Stadt. Seine Stadt besteht aus den Unterschlupfen der Kumpels, die man um Geld anhauen und einen Schlafplatz mit ihnen teilen kann. Seine Stadt ist sein Hund, der treueste Gefährte, der so stillschweigend sein Schicksal teilt. Einfahrten, in denen man zum Pinkeln verschwinden kann, die Konditorei und der Feinkost-Supermarkt, die nach Ladenschluss manchmal Übriggebliebenes verschenken. Das Bushäuschen, das nachts wenigstens etwas Schutz bietet.
Ein kurzes Augenzwinkern, und Mann und Hund sind meinem Blickfeld entwichen, genauso in der Masse untergegangen wie all die anderen. Die Stadt hat sie verschluckt, sie sind weg, und mit ihnen ihre Stadt-in-der-Stadt.
Annapopanna - 3. Jan, 10:47
hendrik.weber - 4. Jan, 13:58
Hab mich anhand deiner
Schilderung an eine nette Begebenheit erinnert, die ich letzten Sommer in HH erlebt habe.
(Vgl. hendrikweber.twoday.net, bin leider zu blöd, in einem Kommentar zu verlinken, sorry, hat einfach nich' geklappt)
(Vgl. hendrikweber.twoday.net, bin leider zu blöd, in einem Kommentar zu verlinken, sorry, hat einfach nich' geklappt)
gute beobachtungsgabe
gefällt mir richtig gut dein text!!! küsschen*